OWL – Hilfseinsatz nach einem Erdbeben in Ostwestfalen-Lippe – Großübung Malteser Hilfsdienst e.V.

OWL – Hilfseinsatz nach einem Erdbeben in Ostwestfalen-Lippe – Großübung Malteser Hilfsdienst e.V.

OWL Kreis Paderborn / Hövelhof, 29.09.2014 – Hilfseinsatz nach einem Erdbeben in Ostwestfalen-Lippe – Großübung MHD e.V.

Malteser Hilfsdienst e.V. Katastrophenschutzübung 2014 im Kreis Paderborn

Erdbeben schockt Sennegemeinde

Malteser mussten in der Diözesanübung 280 Verletzte versorgen / Briten hatten ein Kampfdorf zur Verfügung gestellt / Stärke 6,8 auf der Richterskala

Paderborn/Hövelhof. Plötzlich war oben und unten nicht mehr zu unterscheiden. Die Wände wackelten, Bilder fielen von der Wand, Glas zersprang, der Schrank stürzte in den Raum und begrub Karin P. unter sich. Nichts konnte sie mehr bewegen, das Becken war eingeklemmt. Nebenan hörte sie ihre Tochter jammern und konnte ihr doch nicht zur Hilfe eilen. Stärke 6,8 auf der Richterskala sagten die Experten hinterher, das Erdbeben ging von Büren aus und war selbst in dem kleinen Dorf in der Senne dramatisch spürbar. Fünf Tote, 80 Schwerverletzte, 200 leicht Verletzte und verängstigte Menschen, das war die Lage die sich den Maltesern am Samstag nachmittag in dem 500 Seelen Dorf bot. Karin P und ihre kleinen Tochter waren nur zwei der Menschen, die aus den teils zerstörten Häusern gerettet werden mussten. Mit einem schweren Beckenbruch und Quetschungen musste die Mutter ins Krankenhaus gebracht werden, ihre Tochter war „nur“ eingeklemmt gewesen, sie blieb unverletzt bis auf den Schock.

Dabei war alles nur eine große Übung. Ein echtes Erdbeben hatte es nicht gegeben. Aber das hatten die Helfer bereits nach fünf Minuten vergessen. Mit Pyrotechnik und viel Rauch, mit Nebelmaschinen und Lichteffekten hatte das Bonner Institut für Gefahrenabwehr ein Szenario geschaffen, das so echt war, dass es von Beginn an richtig zur Sache ging für die Malteser. Sie hatten dabei gleich mehrere Dinge zu üben. Alarmiert waren Einsatzkräfte aus den umliegenden Kreisen, ein übliches Verfahren, weil angenommen wurde, die Paderborner Retter seien längst in Büren selbst, dem Zentrum des Unglücks. Also wurden Katastrophenschützer aus dem Kreis Gütersloh, dem Hochsauerlandkreis, aus Soest, Lippstadt und Lage alarmiert. Erste Aufgabe nach der Alarmierung war das geordnete Eintreffen am Sammelpunkt im Lager Staumühle am Rande der Senne. Von dort aus musste ein geordneter Anmarsch ins Übungsgebiet erfolgen. Da die ehrenamtlichen Retter ja nicht wussten, dass ihr Ziel so nah lag, wurden sie deshalb von der Übungsleitung erst einmal auf die Strecke geschickt. Denn auch das Fahren in der Kolonne und das geordnete Eintreffen am Unglücksort muss geübt sein.

Vor Ort dann fanden sich die Retter an einem der Kampfdörfer der Briten ein. Die hatten ihr Übungscamp einmal für eine zivile Nutzung geöffnet. In realer Kulisse mussten dort aus verrauchten und „verschütteten“ Gebäudeteilen Menschen geborgen und dann versorgt werden. Hövelhofer Feuerwehr, das THW aus Paderborn, drei Malteser Einsatzeinheiten, Hundestaffeln aus Gütersloh, Hagen und Siegen zur Verletztensuche, Malteser-Kradmelder aus Dortmund, Feldküchen zur Versorgung aus Altenbeken-Buke und Gütersloh, all das war am Samstag am Start. Rund 700 Teilnehmer inklusive der noch kurzfristig nach einer Absage rekrutierten Verletztendarsteller waren mit dabei. Die realistische Herrichtung der Gebäude sowie die auf echt geschminkten Verletzten sorgten dafür, dass von Beginn an alles wie in echt ablief. Kein Übungsszenario, sondern echte Arbeit erwartete die Retter. Für viele der Malteser eine echte Herausforderung. Denn über mehrere Stunden musste das Tempo gehalten werden, immer neue Verletzte wurden gebracht, mussten erfasst und versorgt werden. Dazu kamen die umherirrenden verwirrten und verängstigten Leichtverletzten. Die Lärmkulisse war groß, die Anspannung war spürbar.

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Mit der Versorgung der Verletzten war es aber nicht getan. Die koordinierte Zusammenarbeit mit den anderen Hilfskräften, besonders der Feuerwehr und dem THW gehörte ebenso zur Übung wie ein geordnetes Abwickeln des kompletten Katastrophenumfeldes. Alle „Dorfbewohner“ mussten registriert und betreut werden, in Zelten erhielten sie warme Getränke und Essen. Für die lange Wartezeit bis sie weitergebracht werden konnten, mussten sie beschäftigt werden, ihnen die Angst vor Nachbeben genommen und sie über den Verlust ihres zerstörten Eigentums getröstet werden. „Das war wirklich voll realistisch, ich habe keinen Moment mehr daran gedacht, dass das hier eine Übung ist, sagte Karl Valentin, Malteser aus Urgelstadt zu der Übung. So, wie viele seiner ehrenamtlichen Malteserkollegen hatten sich die ganzen Retter gut geschlagen. Sicher gab es an einigen Stellen Auffälligkeiten, wenn Trupps sich in der Zusammenarbeit nicht fanden, wenn Abläufe nicht klar waren, wenn in der Panik, die die Übungsleitung regelmäßig anfachte, nicht alle einen ruhigen Kopf behielten. Doch insgesamt waren die Veranstalter zufrieden. Denn neben allen Herausforderungen für die künftige Ausbildung zeigte sich doch in erster Linie, dass die Malteser auf hohem Stand ausgebildet und geübt sind. Denn eine besondere Aufmerksamkeit lag nicht nur auf der Bergung und Versorgung von Verletzten. Die Aufnahme und Betreuung einer komplett geschockten Dorfbevölkerung nach solch einem Unglück kam realistischen Szenarien wirklich sehr nahe und war höchst anspruchsvoll.

Wir sind stolz auf die Leistung und froh, dass alles geordnet und gut abgelaufen ist“, freute sich Tillman Castillo Romero, Referent für Katastrophenschutz der Malteser in der Diözese Paderborn über den guten Ausgang der Übung. Und auch der neue Diözesangeschäftsführer Andreas Bierod zollte den ehrenamtlichen Maltesern großen Respekt. Für ihn war es das erste Mal, dass er so eine komplexe Übung begleitet hatte und erleben konnte, wie vielfältig die Aufgaben der Malteser in solch einem Notfallszenario sein können. Text: Malteser/Christian Schlichter

Gemeinsame Katastrophenschutzübung mit Feuerwehr und THW. Bergung und Betreuung von Verletzten nach dem Erdbeben im Kreis Paderborn durch den Malteser Hilfsdienst e.V., Diözesangeschäftsstelle Paderborn mit 483 Teilnehmern (ÜL 47, FW 28, HiOrg 141 plus 4 Hunde, THW 18 und 239 Darsteller)

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„Rüttelforst 2014“

(27. September 2014)

Malteser Hilfsdienst e.V. Diözesangeschäftsstelle Paderborn

Wer führte diese Einsatzübung durch?

Das Referat Notfallvorsorge der Diözesangeschäftsstelle Paderborn des Malteser Hilfsdienstes e. V. (Verantwortlich: Diözesanreferent Tillman Castillo-Romero, stellv. Diözesanreferent Thorsten Hess). Die Planung, Durchführung und Auswertung der Übung wird durch das Institut für Gefahrenabwehr GmbH (St. Augustin) sichergestellt. (Verantwortlich: Hannes Roesberg)

Ziel der Übung?

Ziel dieser Übung war es, den Leistungsstand und das Zusammenspiel von Einsatzeinheiten des Malteser Hilfsdienstes und Rettungsdienstkräften im Rahmen der Einsatzkonzepte des Landes NRW in der Gefahrenabwehr zu überprüfen. Übungsinhalt war die Bewältigung eines Massenanfalls von Verletzten und Betroffenen.

Schwerpunkte sowie Aufgaben der Einsatzeinheiten:

– Organisation und Durchführung eines MotMarsches aus den Standorten zum Einsatzort (bis zu 8 Fahrzeuge pro Einsatzeinheit)
– Beziehen eines Bereitstellungsraumes
– Anwendung der Ausstattung der Einsatzeinheiten
– Zusammenarbeit mit Rettungsdienst, THW und Feuerwehr
– Zusammenarbeit mehrerer Einsatzeinheiten an einer Einsatzstelle
– Einsatz der Fachgruppen
– Funktionsweise von Patientenablage und Betreuungsstelle

Wer nahm teil?

Von den Maltesern aus dem Bistum Paderborn nahmen drei Einsatzeinheiten aus den Kreisen Gütersloh (Ortsgliederungen Gütersloh, Herzebrock-Clarholz, Rheda-Wiedenbrück und Rietberg), Hochsauerlandkreis (Ortsgliederungen Arnsberg und Olsberg) und Soest (Ortsgliederung Lippstadt) teil. Hinzu kam eine Teilkomponente aus dem Kreis Lippe (Ortsgliederung Lage).

Kräfte des öffentlichen Rettungsdienstes wurden durch Kräfte der Malteser aus anderen Dienststellen gestellt (mit Rettungswagen und Krankentransportwagen). Hinzu kamen weitere Rettungsmittel für den Patiententransport aus den Diözesen in NRW, der Diözese Osnabrück und der Diözese Fulda.

Als Lotsen für die eingesetzten Einheiten stand eine Motorradstaffel zur Verfügung.

Zur Versorgung der rund 600 Übungsteilnehmer nahmen die Feldküchen der Malteser aus Altenbeken (Kreis Paderborn) und Gütersloh an der Übung teil.

Um eine Personensuche durchzuführen, wurden die Malteser Rettungshundestaffeln aus Gütersloh, Verl, Hagen und Siegen zum Einsatz alarmiert.

Die Kommunikation in dem Gebiet ohne Infrastruktur wurden die Informations- und Kommunikationseinheiten aus dem Kreis Gütersloh und des Kreises Paderborn aufgebaut.

Die Rettung von Verletzten erfolgte durch das Technische Hilfswerk, Ortsverband Paderborn und die Feuerwehr Hövelhof.

Hintergrund-Information: Was ist eine Einsatzeinheit?

Eine Einsatzeinheit ist eine taktische Einheit des Bevölkerungsschutzes. Das ehrenamtliche Personal wird von den verschiedenen Hilfsorganisationen gestellt. Das Material sowie die Fahrzeuge werden hauptsächlich vom Bund und den Bundesländern, teilweise aber auch von den Hilfsorganisationen finanziert. Die Personalstärke einer Einsatzeinheit beträgt in Nordrhein-Westfalen 33 Helfer. Eine personelle Zweitbesetzung der Einsatzeinheit ist mindestens zu gewährleisten.

Den Grundstock der Gefahrenabwehr in NRW bilden zunächst die fast 13.000 hauptberuflichen und 79.000 ehrenamtlichen Feuerwehrkräfte bei 27 Berufsfeuerwehren, 83 hauptamtlichen Wachen und den 396 Freiwilligen Feuerwehren in den nordrhein-westfälischen Städten und Gemeinden. Innerhalb des Katastrophenschutzes liegt bei den Feuerwehren die Aufgabe des Brandschutzes und der technischen Hilfeleistung. Dazu gehören auch der Umgang mit Gefahrgut bei Unfällen und die Dekontamination von Personen und Material im Zusammenhang mit ABC-Stoffen. Ergänzt wird der Katastrophenschutz im Land durch 241 Einsatzeinheiten der anerkannten Hilfsorganisationen:
Arbeiter-Samariter-Bund, Deutsches Rotes Kreuz, Johanniter Unfallhilfe, Malteser Hilfsdienst und Deutsche-Lebens-Rettungs-Gesellschaft.

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Diese Einsatzeinheiten verfügen insgesamt über ca. 20.000 gut ausgebildete ehrenamtliche Helfer, wobei eine Einsatzeinheit aus 33 Helferinnen und Helfern besteht und jeweils eine Sanitätsgruppe, eine Betreuungsgruppe, eine Führungs- und eine Technikkomponente umfasst. Die anerkannten Hilfsorganisationen sind mit ihren Einsatzeinheiten oder einzelnen Komponenten an der Gefahrenabwehr beteiligt. Dies reicht von der Anforderung von Krankenkraftwagen und Rettungswagen aus den Einsatzeinheiten bis zum Einsatz kompletter Einheiten bei Großunfällen.

Übungslage / Szenario

Am Morgen des 27. September 2014 kam es in den Kreisen Paderborn und Lippe zu einem Erdbeben. Das Epizentrum lag dabei im Bereich der Stadt Büren (Kreis Paderborn).

– Aufgrund der Einbindung oder Nichteinsatzfähigkeit der örtlichen und betroffenen Einsatzeinheiten wurden Einsatzeinheiten aus den Nachbarlandkreisen voralarmiert.
– Gegen 14.00 Uhr mussten sich die Einsatzeinheiten Einsatzbereit in ihrem Standort melden und wurden dann eingesetzt.
– Diese sammelten sich in einem Bereitstellungsraum am Lager Staumühle (Kreis Paderborn) um von dort aus an einem Ort Hilfe zu leisten. Als Übungsobjekt stand ein „Kampfdorf“ auf dem Truppenübungsplatz Senne im militärischen Sicherheitsbereich zur Verfügung.
– Die Feuerwehr und das Technische Hilfswerk kamen zur Unterstützung bei der Menschenrettung hinzu.

Übungsziele und Schwerpunkte sowie Aufgaben der Einsatzeinheiten

Grundlegende Ziele der Übung waren:

– das Zusammenwirken mehrerer Einsatzeinheiten im Einsatz erproben,
– das Zusammenwirken mit Einheiten des (öffentlichen) Rettungsdienstes,
– die Funktionsweise der gängigen Einsatzkonzepte (z.B. Patientenablage, Betreuungsstelle etc.) kennenlernen und erproben

Daneben bestanden folgende Feinziele:

– Organisation und Durchführung eines Mot-Marsches
– Anwendung der Ausrüstung der Bundes- und Landesfahrzeuge / -gespanne
– Aufbau und Organisation von Patientenablagen
– Zusammenarbeit mit dem Rettungsdienst bei der Versorgung Verletzter
– Durchführung einer selbstständigen Behandlung Leichtverletzter
– Registrierung und Dokumentation
– Mitwirkung bei Sichtungsverfahren
– Mitwirkung bei der Transportorganisation aus Patientenablagen
– Einrichtung und Betrieb einer Anlaufstelle (Sammelstelle / Sammelplatz)
– Durchführung von sozialen Betreuungsmaßnahmen bei psychisch betroffenen Menschen
– ggf. Einrichtung und Betrieb weiterführender Betreuungseinrichtungen
– Personensuche durch Flächensuchhunde der Hundestaffeln
– Verpflegung aller Helfer/innen und Teilnehmer/innen

Im Mittelpunkt der Übung steht aber bei aller Fachlichkeit die Motivation der eingesetzten Helferinnen und Helfer.

Film: Detlev Helmerich und Frank Bauermann, Fotos: Margarete Suchy