Viel von der deutsch-polnischen Geschichte verstanden

Viel von der deutsch-polnischen Geschichte verstanden
Landrat will Jugendaustauschprojekt mit dem Kreis Ratibor weiterführen

Märkischer Kreis. (pmk). „Wir haben viel über die deutsch-polnische Geschichte erfahren und über die persönlichen Beweggründe, warum so viele Schlesier ihre Heimat verlassen haben“. Die Schülerreporter aus dem Partnerkreis Ratibor und dem Märkischen Kreis berichteten Landrat Thomas Gemke über ihre Eindrücke und Begegnungen im Rahmen des gemeinsamen Jugendaustauschs.

Bei einem gemeinsamen Mittagessen hörte Landrat Gemke interessiert den Erzählungen der Projektteilnehmer zu. Vier Tage lang waren Sandra Gajda, Anna Kacprowisz und Szymon Nachlik aus dem polnischen Partnerkreis Ratibor zum Gegenbesuch im Märkischen Kreis. Gemeinsam mit ihren Lüdenscheider “Kollegen” Jonas Leiber, Enes Senkulak und Christian Geng hatten sie vier Tage lang Gelegenheit, weiteres Material im Rahmen des Projekts “Junge Journalisten recherchieren die besondere durch Kriege gekennzeichnete Beziehung zwischen Deutschland und Polen” zu sammeln. Begleitet wurden sie dabei von den Partnerschaftsbeauftragten Isabelle Schöneborn und Karolina Kunicka, den Lehrern Grazyna Strózik und Thomas Miebach sowie der Redakteurin Anita Pendzialek und Pressereferentin Ulla Erkens. Das Projekt wird vom Deutsch-Polnischen Jugendwerk unterstütz.

Im Kreisarchiv des Märkischen Kreises berichtete Archivar Ulrich Biroth beispielsweise vom Schicksal der polnischen Zwangsarbeiter im Zweiten Weltkrieg. Auch konnte er nachweisen, dass viele Vorurteile gegenüber Polen noch aus der Kriegspropaganda der beiden Weltkriege herrühren. Besonders beeindruckt hat Jonas Leiber die Größe des ehemaligen Kriegsgefangenenlagers Stalag IV in Hemer, in dem vor allem sowjetische aber auch polnische und französische Kriegsgefangene untergebracht waren. Stadtarchivar Eberhard Thomas führte die Gruppe auch zum “Russen”-Friedhof auf dem Duloh, auf dem auch polnische Kriegsgefangene die letzte Ruhe fanden. Dort gedachten die Schüler der Opfer.

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Besonders interessant fanden die Schülerreporter die Begegnungen mit den Zeitzeugen und die teilweise sehr emotionalen Interviews. Insbesondere die Erinnerungen des Ratiborers Willibald Fabian, der die deutsche Minderheitsorganisation “DFK” mitbegründet hat und einige Zeit in Werdohl gelebt hat aber nach Schlesien zurückkehrte, die Schilderungen und Lebensweisheiten von Heinrich Szczyrba, der mit 25 Jahren über Österreich nach Deutschland geflohen ist oder von Stefan Majewski, der mit Frau und Kindern während des Sowjetregimes ebenfalls aus Polen “abgehauen” ist, “damit es die Kinder einmal besser” haben, haben die Schüler und Schülerinnen berührt. “Wir können so viel von der Lebenserfahrung und Lebensweisheit unserer Gesprächspartner lernen”, sagt Chris Geng, der selber russische Wurzeln hat. “Es ist egal, welche Nationalität in deinem Pass steht. Mach dein Ding und lass dir nicht reinreden”, scheint jetzt zu seiner Maxime zu werden.

Das Individuum zählt
Auch Sandra Gajda ist sich sicher, dass nicht die Nationalität zählt. Ausschlaggebend ist für sie, wie sie sich als Mensch verhält. Sie freut sich, neue Freunde gefunden zu haben. Mehr Toleranz fordert auch Anna Kacprowisz ein. Sie fand es auch gut, in beiden Ländern zu recherchieren und das Thema aus zwei verschiedenen Perspektiven zu beleuchten. “Die Jugend steht für Europa”, bekräftigte sie auf die Nachfrage des Landrats, der die nationalen Strömungen in Polen mit Sorge beobachtet. Die lokalen und regionalen Ebenen ticken anders, betonte Partnerschaftsbeauftragte Carolina Kunicka. “Alle Auslands- und Partnerschaftsbeziehungen laufen normal weiter”, erklärte sie.

Ein großer Teil von Szymon Nachliks Familie lebt in Deutschland. Kontakt gibt es kaum. Er selber gehört der deutschen Minderheit in Polen an und ist froh, dass er seine Deutschkenntnisse auch mal anwenden konnte. Er hat aus den Gesprächen gelernt, dass mangelnde Sprachkenntnisse eine Barriere darstellen. Wer die Sprache beherrscht, wird auch akzeptiert.
Kulturelle Heimat

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Zur Identitätsfindung ist es Jonas Leiber wichtig, zu wissen woher er kommt und welche kulturelle Heimat er hat. Er fühlt sich gleichzeitig als Weltbürger, Europäer, Deutscher, märkischer Sauerländer und Lüdenscheider und er schwärmt von schlesischen Rouladen. Seine Großeltern stammen aus Schlesien. Enes Senkulak sagt, dass ihn der Partnerschaftsaustausch erwachsener und reifer gemacht habe. Er kann die Zugehörigkeitslosigkeit einiger seiner Gesprächspartner nachempfinden, die sich in Polen als Deutsche gesehen haben aber in Deutschland nur abschätzig als “Polen” behandelt wurden. Als Deutscher mit türkischem Migrationshintergrund, kennt er das Problem. Als eine Art präventive Maßnahme, um sich gegenseitig besser zu verstehen, sollte es seiner Meinung nach viel mehr solcher Jugendaustauschprojekte geben. Für ihn war es ein schöner Moment als beim gemeinsamen Bowlen die Sprachbarrieren fielen und alle einfach nur zusammen Spaß hatten.

Deutsch-Polnischen Jugendaustausch fortführen
Isabelle Schöneborn wünscht sich, dass eine Art Zusammenarbeit zwischen dem Zeppelin-Gymnasiums und dem Allgemeinen Lyzeum in Ratibor zustande kommt. Grazyna Strózik ist stellvertretende Schulleiterin der polnischen Schule. Sie ist der Ansicht, dass die beiden Schulen von der Struktur her gut zusammen passen und dass ein Austausch für die polnischen Schülerinnen und Schüler, die Deutsch lernen, ein zusätzlicher Anreiz wäre.

Landrat Thomas Gemke freute sich über so viel positive Resonanz. “Ich hoffe, wir können diesen Jugendaustausch auch im nächsten Jahr fortführen”, sagte er. “Wir müssen die Jugend wieder für Europa begeistern”. Thomas Miebach, Geschichtslehrer am Zeppelingymnasium, begrüßt das Engagement des Märkischen Kreises. Der Schulalltag ließe für die aufwendige Organisation solcher Projekte zu wenig Zeit. Gemke bedankte sich bei Isabelle Schöneborn und Carolina Kunicka herzlich für die Organisation und Koordination des Projekts. Auch den Lehrern und Journalisten, die das Projekt begleitet haben galt sein Dank. Besonders würdigte er die Leistung von Anita Pendzialek, die alle Gespräche und Vorträge übersetzte. Nun bleibt es abzuwarten, zu welchen journalistischen Ergebnissen die Schülerinnen und Schüler kommen und über welche Kanäle sie veröffentlicht werden können.

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Pressemitteilung von Mittwoch, 10. Oktober 2018
Märkischer Kreis